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Predigt zum 140jährigen Jubiläum der Frauenhilfe Friedenskirche Sterkrade

Predigt von Sabine Richarz
Pädagogische Mitarbeiterin, Diakonin/ Mitarbeiter*in Evangelische Frauenhilfe im Rheinland e.V.

gehalten am 13.10.2019 in Haus Gottesdank

 

Tabita – vom Tod ins Leben

 

Ganz ehrlich – Festschriften gehören nicht gerade zu meiner Lieblingslektüre. Berufsbedingt bekomme ich immer wieder einmal eine solche Festschrift und natürlich lese ich sie dann auch. Manches ist interessant aber meistens sind sie doch recht trocken und eher für die Beteiligten von Bedeutung.

Aber in diesem Sommer bekam ich eine Festschrift zugesandt, die hat mich nicht mehr losgelassen. Es war die Festschrift ihrer Frauenhilfe zum 120. Jubiläum und was da über die Frauen stand, die diese Gruppe ins Leben riefen, und über die, die den Auftrag dieser Gruppe in späteren Zeiten auf immer neue Weise weitergeführt haben, das hat mich nicht mehr losgelassen. Ich war fasziniert von diesen tatkräftigen Frauen und ihrem großen Gottvertrauen. Und von dem Mut, mit dem sie sich auch gegen gesellschaftlichen Etiketten für ihre Ziele eingesetzt haben. Beim Lesen ihrer Festschrift musste ich an einen Bericht aus der Apostelgeschichte. In diesem Bericht steht auch eine Frau und ihr Einsatz für ihre Mitmenschen im Mittelpunkt.

 

Ich lese aus Apg 9, 36-42

36 In Joppe war eine Jüngerin mit Namen Tabita, das heißt übersetzt: Gazelle. Die tat viele gute Werke und gab reichlich Almosen.

37 Es begab sich aber zu der Zeit, dass sie krank wurde und starb. Da wuschen sie sie und legten sie in das Obergemach.

38 Weil aber Lydda nahe bei Joppe ist, sandten die Jünger, als sie hörten, dass Petrus dort war, zwei Männer zu ihm und baten ihn: Säume nicht, zu uns zu kommen!

39 Petrus aber stand auf und ging mit ihnen. Und als er hingekommen war, führten sie ihn hinauf in das Obergemach und es traten alle Witwen zu ihm, weinten und zeigten ihm die Röcke und Kleider, die Tabita gemacht hatte, als sie noch bei ihnen war.

40 Und als Petrus sie alle hinausgetrieben hatte, kniete er nieder, betete und wandte sich zu dem Leichnam und sprach: Tabita, steh auf! Und sie schlug ihre Augen auf; und als sie Petrus sah, setzte sie sich auf.

41 Er aber gab ihr die Hand und ließ sie aufstehen und rief die Heiligen und die Witwen und stellte sie lebendig vor sie.

42 Und das wurde in ganz Joppe bekannt und viele kamen zum Glauben an den Herrn.“ (Luther 2017)

 

So wie am heutigen Tag die Leistungen der Frauen ihrer Frauenhilfegruppe gewürdigt werden, so wird auch in unserem Predigttext auf die Arbeit einer Frau zurückgeblickt und ihr Einsatz gewürdigt.

Aber es ist kein fröhlicher Anlass, kein Jubiläum, kein runder Geburtstag, der zu dieser Würdigung führt. Nein, der Anlass ist tragisch.

 

Tabita, die Frau deren Arbeit hier gewürdigt wird, ist ganz plötzlich gestorben.

Und die kleine Frauengruppe zu der Tabita gehörte, die Witwen der Gemeinde in Joppe, sie sind verzweifelt. Tabita war das Herz ihrer kleinen Gemeinschaft. Sie hatte sich um Vieles gekümmert, hatte die Frauen mit allem versorgt, was sie nötig hatten, hatte ihnen Kleidung und Geld gegeben und sie angeleitet, selbst aktiv zu werden. Damit hatte sie ihnen Mut gemacht und Würde gegeben.

 

Wer war diese Tabita? Wie kam sie dazu, sich so für andere einzusetzen?

Tabita war eine Jüngerin Jesu, so wird sie hier in unserem Predigttext vorgestellt. Sie gehörte zu einer kleinen Judenchristlichen Gemeinschaft, die sich nach der Auferstehung Jesu und dem Pfingstereignis gebildet hatte. Tabita hat sich anstecken lassen von diesem Jesusglauben, hatte ihr Vertrauen auf ihn, den Messias, gesetzt und angefangen, das nachzuleben, was sie von diesem Jesus gehört + begriffen hatte.

 

Sie tat dies indem sie ihre Begabungen und Talente für andere einsetzte und Kleidung nähte für Menschen, die sonst nichts anzuziehen hatten.

 

Nackt und bloß zu sein, weil man sich keine ordentliche Kleidung leisten kann, ist demütigend.

Kleider sind nicht nur Schutz vor Kälte und Nässe, sie sind Statussymbole. An ihnen kann man ablesen, ob es jemandem gut geht, ob er dazu gehört oder nicht. Aber Armut macht sich auch an anderen Dingen fest:

 

Nicht mitfahren können, wenn die anderen zum Ausflug fahren, immer Ausreden finden müssen wenn sich die anderen im Café verabreden oder ins Museum gehen.

Oder nach Pfandflaschen in öffentlichen Mülleimern wühlen um sich ein klein wenig Geld zu verdienen, so wie ich es letzte Woche wieder auf dem Berliner Hauptbahnhof gesehen habe. All das ist Armut und wer so leben muss wird von der Gesellschaft an den Rand gedrängt, er wird ausgegrenzt, ihm wird die Würde genommen.

 

Tabita tat das Gegenteil: Indem sie Menschen bekleidete, gab sie ihnen ihre Würde zurück. Mit ihrem Tun machte sie die Liebe Jesu sichtbar. Ihre praktische Liebe hatte Strahlkraft über ihre kleine Gemeinschaft hinaus. Zusammen mit den anderen schuf sie Kleidung für die Armen und Ausgegrenzten. Tabita und ihre Gruppe von Witwen erinnert mich an unsre Frauenhilfegruppen und ganz besonders an die Geschichte ihrer Frauenhilfe hier in Sterkrade: Auch auf Tabita und ihre Frauengruppe passt das Wort, das sich ihre Frauenhilfe zum Leitvers gewählt hat: „in Liebe diene eine der anderen und trage der anderen Last“ (Gal. 5,13c+6,2)

 

Tabita und die Witwen von Joppe – für mich sind sie die Vorläuferinnen der ersten Frauenhilfegruppen.

 

Doch mitten in dieses geschäftige Leben bricht der Tod ein: Tabita stirbt.

Sie, die anderen durch ihr Handeln Selbstbewusstsein und Würde gegeben hat, kann mit einem Mal nichts mehr tun.

 

EG      664 „Wir strecken uns nach Dir „Strophe 1

 

Tabita stirbt, welch ein Verlust für die Gemeinde! Die Trauer ist groß. Sie wird nach jüdischem Ritus gewaschen und im Obergeschoss aufgebahrt.

 

Doch die Gemeinde findet sich nicht damit ab. Das ist das erste, was auffällt. Nach menschlichem Ermessen geht nichts mehr, unser Verstand sagt uns, dass nun nichts mehr zu ändern ist. Aber es geht bei Gott nicht um unseren Verstand, sondern es geht um unser Vertrauen. Es ist die Kernfrage: Glauben wir, dass Gott lebendig machen kann? Glauben wir, dass Gott Herr über Leben und Tod ist?

 

Die Gemeinde in Joppe hat diese Hoffnung. Sie setzt ihr Vertrauen auf den lebendigen Gott und deshalb schickt sie Männer zu Petrus, von dem sie wissen, dass er einer der zwölf ist und den Auferstandenen verkündigt wie sie selbst es auch tun. Vielleicht weiß er, wie es weitergehen kann.

 

Er wird also geholt und die Trauer über den Verlust wird vor ihm ausgebreitet, die Menschen klagen und weinen. Und vielleicht steht unausgesprochen die Frage im Raum: Kann das, was tot ist, wirklich wieder lebendig werden?

 

Wie ist es mit uns heute: Vertrauen wir das Gott uns lebendig machen kann, immer wieder neu? Ich stelle die Frage in unserer Zeit, in der unser Weltbild von naturwissenschaftlichen Erkenntnissen und technischen Errungenschaften geprägt ist: glauben und vertrauen wir darauf, dass Totes lebendig werden kann?

 

Die Gemeinde in Joppe hat Petrus geholt, sie hat eine Hoffnung und sie vertraut. Ihr Grundbekenntnis ist: Christus ist auferstanden! Gott ist der Herr über Leben und Tod! Und der Auferstehungsprozess beginnt, wo Menschen diesem Auferstandenen vertrauen.

 

Petrus teilt mit der Gemeinde das Vertrauen. Er begibt sich zu Tabita und geht im Vertrauen ins Gebet. Und Gott tut das Seine – er schafft Leben, er schafft einen neuen Anfang – was tot ist, wird wieder lebendig!

 

EG 664          Strophe 2

 

Unsere Geschichte um Tabita ist eine Wundergeschichte. Das verleitet uns heute gerne dazu, so einen Text so auszulegen, dass wir uns um das eigentliche wundersame Geschehen herumdrücken. Ist sie nun oder ist sie nicht richtig tot gewesen? Unser naturwissenschaftlich geprägter Verstand wehrt sich mit allen Mitteln gegen ein solches Ereignis, das wir uns nicht erklären können.

 

Die Menschen der Urgemeinde hatten eine andere Sicht auf diese Ereignisse, für sie waren in Wundern das Wirken göttlicher Kräfte zu spüren. Und das gilt nicht nur für die Zeit vor 2000 Jahren. Vielleicht ist es eher so, dass unser Blick für das Wirken Gottes oft so verstellt ist, dass wir Wunder gar nicht mehr sehen, bzw. sie gar nicht mehr Gott zuordnen.

 

Wunder geschehen nicht so, wie wir sie wollen. Aber viel öfter, als wir sie wahrnehmen. Denn unser Herz muss sie erst wieder sehen lernen.

 

Ja, es gibt sie, die Spontanheilungen unheilbarer Krankheiten, die sich kein Arzt erklären kann. Aber es gibt auch die vielen anderen Wunder, die Gott wirkt. Menschen werden geheilt an ihrer Seele durch Vergebung.

 

Wunder geschehen, wenn aus Hass Friede wird, wenn ein Kind geboren wird, wenn Menschen ganz gegensätzlicher Kulturen und Interessen zusammen leben lernen.

 

Wunder geschehen, wenn Flüchtlinge nicht kritisch angeguckt, sondern warmherzig empfangen werden, aber auch, wenn Neues in der Frauenhilfearbeit wächst.

 

Wunder geschehen nicht immer so, wie wir es wollen, aber Gottes heilsame Kraft wirkt und ist uns ein Zeichen, dass das Reich Gottes mitten unter uns ist.

 

EG 664          Strophe 3

 

Paulus betet, er spricht Tabita an und Tabita kehrt zurück ins Leben. Ende gut alles gut? Der Tod ist nicht aufgehoben, auch nicht in unserer Geschichte. Irgendwann ist Tabita doch wieder gestorben. Die Strukturen des Todes sind in dieser Welt allgegenwärtig. Gerade in diesen Tagen wird uns dies wieder besonders bewusst.

 

Trotz Jesu Auferstehung: diese Welt ist nicht einfach heil und friedlich. Das Reich Gottes beginnt in dieser Welt, aber wir sind nicht herausgenommen aus Schwierigem und Leidvollem. Auch als Frauenhilfe nicht. Wir stehen heute vor vielen Herausforderungen, die es zu meistern gilt.

 

Wovon lassen wir unseren Blick, unsere Wirklichkeit bestimmen? Von dem was nicht mehr geht, wovon wir Abschied nehmen müssen oder lernen wir, wie die Menschen um Tabita oder auch die Glaubensmütter ihrer Frauenhilfegruppe auf die lebendige Wirklichkeit Gottes zu vertrauen?

 

Die Gründerinnen ihrer Gruppe hatten Mut und Gottvertrauen als sie ihre Frauenhilfegruppe gründeten um für die ärmsten Kinder Kleidung zu nähen. Sie waren kein Kreis wohlbetuchter leicht versponnener Damen, die aus lauter Langeweile nach einem Tätigkeitsfeld suchten. Nein es waren tatkräftige, starke Frauen, die gut rechnen konnten. Diese Frauen sahen mit einem klaren Blick die Not der Menschen in ihrer Nachbarschaft und handelten!

 

Nach dem zweiten Weltkrieg gab es eine neue Generation von Frauen, aber auch sie hatten einen Blick für die Nöte der Menschen. Ihr besonderes Augenmerk lag auf den Alten und den ganz Jungen, die durch die Folgen des zweiten Weltkrieges heimat- und wohnungslos geworden waren. Und sie bauten diesen Menschen eine Heimstatt – gegen alle Widerstände in Presbyterium und Stadtrat und wortwörtlich mit der Schaufel in der Hand.

 

Andere Zeiten, andere Nöte und Herausforderungen, aber dieselbe Liebe und dasselbe Gottvertrauen!

 

3 Schritte, für unseren Weg in der Nachfolge als Jüngerinnen und Jünger können wir von Tabita und den Leuten in Joppe lernen:

 

  1. Vertrauen auf den der das Leben ist, Jesus Christus

Gegen allen Augenschein, haben sie dem vertraut, der von sich sagt „Ich bin die Auferstehung und das Leben“. Dies war der erste Schritt.

 

  1. Im Vertrauen alte Wege verlassen, sich in Bewegung setzen und Hilfe holen

 

Ihr Vertrauen in Jesus Christus hat sie in Bewegung gesetzt. Sie haben nicht getan, was man immer tut und Tabita beerdigt. Vielmehr sind sie losgegangen und haben sich Unterstützung geholt: Petrus.

 

  1. Im Gespräch bleiben: mit Gott + miteinander

 

Auch Petrus hat nicht allein gehandelt. Er hat gebetet. Er hat zuerst einmal mit Gott gesprochen, bevor er mit Tabita gesprochen hat.

 

Tabita und die Menschen in der Gemeinde in Joppe tun das ihre, im Vertrauen, dass Gott das Seine tut, dies ist die Haltung des Glaubens.

Und Gott tut das Seine, auch das können wir an der Geschichte der Tabita lernen. Wir können es auch an der Geschichte ihrer Frauenhilfe lernen.

Der Name, den diese Frauen ihrem Altenheim gegeben haben macht dies deutlich: Haus Gottesdank.

 

Im Vertrauen auf Gott tun wir das unsere und Gott tut das seine, dies gilt ebenso für die Zukunft der Frauenhilfe. Sie ist und bleibt Gottes Werk.

Er hält sie lebendig.

Dieses Vertrauen gibt uns die Kraft zu neuen Schritten und Veränderungen.

Amen

 

EG 664                      ganz